Albert Sixtus

Albert Sixtus

(1892 - 1960)
Foto 1927












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Dieses Archiv ist dem Lebenswerk des Schriftstellers und Kinderbuchautors Albert Sixtus (1892 - 1960) gewidmet.

Schnellauswahl: | Entstehung | | 1922 bis heute | | Friedrich Koch | | Anthropomorphismus |

Was ist eigentlich Antropomorphismus?

In dem Werk "Das Bilderbuch – Geschichte und Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart" von Klaus Doderer und Helmut Müller, 1973, findet man den Begriff "geschmacklos antropomorph" in Zusammenhang mit dem Bilderbuch-Schaffen von Fritz Koch-Gotha.

Was ist eigentlich Antropomorphismus?
Das Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur des Beltz Verlages (1979) erklärt es uns:
Antropomorphismus (griechisch „Vermenschlichung“). Übertragung von menschlichen Eigenschaften, Handlungsweisen und Lebensverhältnissen auf Dinge oder Lebewesen nichtmenschlicher Art.
Bevorzugtes Objekt der Antropomorphisierung war von jeher das Tier. Im Bilderbuch und im literarischen Schaffen für Jugendliche ist die Antropomorphisierung häufig ein pädagogisches und künstlerisches Mittel.
Man unterscheidet zwischen
- Teilantropomorphisierung der belebten Welt mit einer gefühls- und erlebnisreichen Darstellung,
- Antropomorphisierung der belebten Welt mit didaktischer Intention und
- Antropomorphisierung der belebten Welt

Das klingt reichlich wissenschaftlich. Lassen wir uns von Bilderbuchkritikern der Nachkriegszeit erklären, was sie darunter verstehen:
Das Lexikon zitiert Bettina Hürlimann aus ihrem Buch „Europäische Kinderbücher in drei Jahrhunderten“ (1968). Sie spricht darin von banaler Übertragung menschlicher Verhaltensweisen auf Tiere und Pflanzen, wie z.B. in dem fragwürdigen Beispiel „Die Häschenschule“. Weiter schreibt sie, dass die vollkommene Nachahmung menschlichen Tuns in häsischer Verkleidung keine Steigerung der Natur sondern eher einen sehr talentierten Missbrauch derselben darstellt, um Allzumenschliches darzustellen.

Irene Dyhrenfurth-Graebsch widmet sich in der „Geschichte des Deutschen Jugendbuches“ (1951) ebenfalls diesem Thema und schreibt:
Es entstanden läppische und geschmacklose Machwerke, wie – seit der vielgeliebten Häschenschule – Hasen-, Mäuse-, Dackel- und andere Tiergeschichten, in denen auf die billigste Weise das Tier vermenschlicht wurde. Die Frage nach den Grenzen der Vermenschlichung ist eine Frage des künstlerischen Taktes. Wo grob und albern menschliche Kleidung auf das Tier übertragen werden, da werden Mensch und Tier gleichermaßen beleidigt.

Etwas gemäßigter formuliert es Fromut Minke. Hier stellt „Die Häschenschule“ einen Grenzfall dar, denn:
Die Hasenkinder bekommen zwar von einem Lehrer und nicht wie in der Natur von ihren Eltern alle notwendigen Dinge gezeigt, sie lernen in ihrer Waldschule jedoch kein Schreiben und Rechnen, sondern hören von ihrem größten Feinde, dem Fuchs, üben Hakenschlagen und lernen, Ostereier zu bemalen.

Klaus Doderer und Helmut Müller sehen in ihrem bereits erwähnten Buch im Osterhasen den Hauptgrund für ebendiesen Grenzfall, denn:
Die Vorstellung vom Osterhasen ist bereits vor Erscheinen der Häschenschule soweit vermenschlicht, dass es für Koch-Gotha (und Sixtus!) nur darauf ankam, eine lustige Situation für seine Menschenhasen zu erfinden. Die Komik der einzelnen Szenen ist nicht allzuweit hergeholt.
Sie beruht auf jenen Vorstellungen von einem zünftigen Schulbetrieb, über den man so gerne spricht und lacht, wenn man ihn überstanden hat...Schließlich kommen der Häschenschule auch die Reime von Sixtus zugute, die zur besseren Busch-Tradition gehören, wenn sie auch weniger vertrackt-komisch und pointenreich sind.
Wenn auch die Häschenschule nicht frei ist von Elementen jener fragwürdigen Tiervermenschlichung, ...so steht sie doch noch weit über der seriellen Produktion von Tierbilderbüchern der Folgezeit.

Soviel zum Musterbeispiel eines abzulehnenden Kinderbuchs von der deutschsprachigen Bilderbuchkritik der Nachkriegszeit, denn es gibt auch die etwas andere Sichtweise, z.B. Elisabeth-Brigitte Schindler in „Schöne alte Kinderbücher“ (1983):
Die vermenschlichte Tierwelt ist immer wieder kritisiert und in ihrer Wirkung auf das Kind angeprangert worden. Doch sie wird wohl auf alle Zeiten ein Lieblingsthema vieler Autoren bleiben. Besonders im Bilderbuch feierte sie... ungeahnte Triumphe. Die Autoren und Zeichner haben immer wieder recht unterschiedliche Beweggründe gehabt, wenn sie den Tieren Kleider anlegten und sie genau wie Menschen denken, fühlen und handeln ließen. Den meisten ging es darum, dem Kind auf diese Weise einen Spiegel rechten und unrechten Verhaltens darzubieten. Zwischen Kind und Tier besteht eine enge kreatürliche Bindung. Das Kind empfindet in der Regel instinktiv das Tier als ebenso wehrlos und ausgeliefert wie sich selbst, und so gibt es vor allem für das Kleinkind kaum eine idealere Identifikationsfigur.

Klaus Doderer/Helmut Müller äußern sich rückblickend ebenso etwas gemäßigter:
Gewiss ist diese patriarchalische Geschichte von Hasenhans und Hasengretchen heute überholt. Zur Zeit ihres Erscheinens aber spiegelte sie vielen Kindern ihr eigenes Dasein in einer Verkleidung, deren indirekte Belehrung sie z.B. auch im Kaspertheater besonders schätzten. Dass sich das Buch noch heute bei ihnen großer Beliebtheit erfreut, mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass Albert Sixtus hier in seinen Versen eine im Grunde realistische Geschichte aus einer noch völlig übersichtlichen Umwelt erzählt. Vor allem aber scheinen Kinder mehr Sinn als Erwachsene für die... gekonnten Illustrationen des Mannes zu haben, der als der populärste deutsche Humorist der Zeichenfeder vor dem Ersten Weltkrieg (Bernhard Nowak) gilt – Fritz Koch-Gotha (1877-1956).

Ulrich Hann sieht in seiner Dissertation „Die Entwicklungsgeschichte des deutschsprachigen Bilderbuches im 20.Jahrhundert“ (1977)
... den Einzug der Familie in Tierverkleidung nach Koch-Gothas (und Sixtus’) ‚Häschenschule’ ...als einen von drei entscheidenden entwicklungsgeschichtlichen Momenten des Bilderbuchs im 20.Jahrhunderts.“

In einer Hommage des Eulenspiegel-Verlags Berlin auf Koch-Gotha von 1971, herausgegeben von Regine Timm, bemerkt die Autorin:
Ein komisches Kunstwerk alten Stils, in bezeichnender Verkleidung, entstand 1923: Die Häschenschule, die zu den besten unter den vielen Kinderbüchern der zwanziger Jahre zählt. Koch-Gotha kann sich als lächelnd-überlegener Menschenkenner und –schilderer beweisen. Das Buch steht... auf einer Grenze. Es ist ein Kinderbuch, aber während die Kleinen sich an der Schilderung ihrer Lebenswelt in dem märchenhaft-verfremdeten Gewand erfreuen, ist die Komik in der Charakteristik der Personen doch recht eigentlich nur dem distanzierten Blick des Erwachsenen zugänglich.

Dr. Leo Weismantel urteilte in seiner Schrift „Über die geistesbiologischen Grundlagen des Lesegutes der Kinder und Jugendlichen“, Ende der 20er Jahre über „Die Häschenschule“:
„Köstlich in Bild und Reim! Eine kleine Erhebung über die Schule, mit der das Kind diesem ihm drohenden Gespenste lachend Herr wird.“

So ist es nicht verwunderlich, dass „Die Häschenschule“ seit 1925 bis Kriegsende und selbst noch in den 50er Jahren in allen „Verzeichnissen empfehlenswerter Jugendschriften“, „Das gute Jugendbuch“, „Das gute Bilderbuch“ oder „Das deutsche Jugendbuch“ aufgeführt ist.

In Hubert Göbels’ Buch „Hundert alte Kinderbücher 1870 – 1945“ fand natürlich auch „Die Häschenschule“ ihren Platz. Er schreibt:
Die Kinder und auch die erwachsenen Käufer haben der Häschenschule vorbehaltlos und frei von Bedenken gegen ihre vermenschlichende Aufmachung immer wieder Besuche abgestattet, haben den sechsstündigen Unterrichts-Vormittag in der einklassigen Hasen-Waldschule miterlebt und die erwarteten Schmunzelfreuden gefunden.

Wilhelm Bricot, der 1985 der Häschenschule ein ganzes Buch widmete, soll den Schlusspunkt unter die Häschenschul-Diskussion setzen:
Für das im deutschen Sprachraum ungemein verbreitete Bilderbuch „Die Häschenschule“ zu werben, ist überflüssig. Es hat seit seinem ersten Erscheinen 1923 die Rolle eines Markenartikels inne. Doch anders als beim sadistischen „Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann von 1848, anders als in der Bubengeschichte... von Wilhelm Busch und anders auch als bei jenen nur noch auf niedlich getrimmten Heinzelgeschichten halten sich hier die Hauptkomponenten des spätbürgerlichen Kinderbuchs – Lustigkeit, Anständigkeit und Lehrhaftigkeit, sorgfältig ausgemaltes Milieu und unüberhörbare Tendenz – geradezu auffällig die Waage. Vorurteilsfrei betrachtet liegen die gediegen karikierenden Illustrationen wie auch die adäquat gereimten Texte beträchtlich über dem Normalnull des üblichen Niveaus. Sicher begründet die Qualität und die Harmonie der Mittel den außerordentlichen Erfolg des Kinderbuches, dem es keineswegs geschadet hat, dass die minutiös wiedergegebene, nebenbei leise verspottete Dorfschulrealität... inzwischen längst unwirklich geworden ist.

Lassen wir am Ende unserer Reise durch die Literatur der Kritiker drei Herren zu Worte kommen, die sich über die Ansprüche Gedanken gemacht haben, die ein Kindervers – Bilderbuch – Kinderbuch zu erfüllen hat.

Gustav Sichelschmidt im Monatsheft „Jugendliteratur“ (1957):
Kinderverse haben nun einmal so kindlich zu sein, als wären sie von Kindern selbst gereimt. Aber sie müssen zugleich auch ausgereifte und verdichtete Kunstwerke sein, denen kein Wort abzuziehen oder hinzuzufügen wäre. Sie müssen in der prälogischen Welt der kindlichen Psyche wurzeln und etwas von der Magie elementarer Urpoesie besitzen. Die unwiderstehlichen klanglichen Formeln von Versanfängen wie „Bim bam beier“, „Eene, deene Tintenfass“ oder „Lirum larum Löffelstiel“ beschwören wie alte Zaubersprüche eine unvergleichliche poetische Atmosphäre herauf, der kein geistig reges Kind sich widersetzen kann. Die Musikalität und die plastische Anschaulichkeit dieser unreflektierten künstlerischen Aussagen zünden spontan und strahlen auf die seelische Entwicklung des Heranwachsenden unbewusst zurück.

Von welch eminenter Bedeutung die künstlerische Perfektion beim Kindergedicht ist, weiß jeder, der Umgang mit Kindern pflegt. Denn diese Poesie ist die erste seelische und geistige Nahrung unserer Kinder, und wir Erwachsene können gar nicht verantwortungsvoll genug aus dem Wust des Dargebotenen die bereichernden und charakterbildenden Proben, die allein zählen, herauszusuchen.

Diese selbstverständliche Voraussetzung aber erfüllen die volkstümlichen Kinderreime mit ihren sich wiederholenden Motiven, ihren einprägsamen Rhythmen, ihrem spielerischen oder skurrilen Humor und in ihrer schwebenden Grazie in erstaunlichem Maße. Diese Verse sind in ihrer plastischen Anschaulichkeit wie gereimte Bilder. Man braucht sie nicht erst zu lesen, sie drängen sich dem Gedächtnis auf, und ein ferner Glanz von ihnen strahlt noch über ein ganzes Menschenleben nach. In ihrer ungebrochenen Naivität und ihrer originellen Verspieltheit haben sie seit Generationen das seelische Klima unserer Kinderstuben erwärmt und somit einen unschätzbaren Beitrag zur inneren Gestaltwerdung der jungen Menschen geliefert. Sie besitzen alle noch etwas von der Dämonie des Einfachen, gegen die selbst die Zeit machtlos ist, und sie bedeuten auch heute noch für alle, die Ohren zu hören und Herzen zu fühlen haben, eine Quelle echter Freuden.

Dr. Karl Christian Scholz: Das Deutsche Bilderbuch und sein Verlag (1932):
Das Bilderbuch soll das Kind erfreuen und beschäftigen, es dabei belehren und seinen Anschauungskreis allmählich erweitern. Spielgefährte und Spielzeug ist es dem Kleinen und zugleich – diesem unbewusst – Lehrmeister und Lehrbuch. Es führt dem Kinde in Linien und Farben die einfachsten Gegenstände der Kinderstube vor, geleitet es durch den Garten, Spielplatz und Hof zu den lieben Haustieren, durch Feld und Wald und weiter durch die Straßen der Großstadt, ebenso wie durch das Wunderland des Märchens und in die Sonne des Humors, kurz überall dorthin, wo Kinderherz und kindliche Wissbegierde nur zu gern mitfolgen. Nun aber denke man sich all diese Dinge und Herrlichkeiten durch einen wahren Künstler, der die Kinderseele versteht und liebt, mit farbenfrohem Pinsel geschildert. Da wird es klar, welch bedeutsames Hilfsmittel zur Pflege des kindlichen Verstandes und Gemütes, zur Weckung und Förderung des künstlerischen Empfindens in dem Bilderbuch erschlossen ist.

Und welchem Bilderbuch gehört der Preis? Dem Bilderbuch, das des Kindes Kopf und Herz, Gest und Gemüt packt, erfreut und wärmt, zu dem es immer wieder greift. Dem Bilderbuch, das auch zu dem Erwachsenen spricht, dessen kindertümliche Kunst selbst ihm Genuss bietet. Das Bilderbuch vereint Eltern und Kinder im Beschauen. Die Alten werden wieder jung und lauschen mit den Kleinen dem, was es in Bild und Wort erzählen möchte.

Dr. Hans Richter, Leipzig: Das Deutsche Bilderbuch der Gegenwart (1932):
Worauf es beim Bilderbuch immer und in erster Linie ankommt, ist, dass der Lebensraum des Kindes in Vers und Zeichnung unmittelbar getroffen wird. Das deutsche Bilderbuch hat in seinen besten Beispielen diese Forderung erfüllt und ein reiches Gebiet für künstlerische Betätigung in dieser verdienstvollen „Kleinkunst“ geschaffen. Und so viel Wertvolles kann geschaffen werden, wenn nur ein Künstler und ganzer Mensch dem Kinde dient.


Sixtus hat sich immer bemüht, diesem Anspruch gerecht zu werden. er verstand sich nie als ein Künstler aber als ein ganzer Mensch, menschlich im Denken und Tun, kinderlieb und kinder liebend, erziehend und achtend im Alltag, in seinem Beruf als Lehrer und in seiner Berufung als Dichter und Schriftsteller.

Bernd Junior, Diplom-Historiker und Diplom-Pädagoge aus Gotha findet in seinem Beitrag zum Gothaischen Museums-Jahrbuch (2002) „Es lebe unser Fritze...“ sehr passende Worte:
„Fritz Koch-Gotha... und Albert Sixtus..., zwei Zeitgenossen des zu Ende gehenden 19.Jahrhunderts mit unterschiedlichen Lebenswegen trafen sich zu einem gemeinsamen Werk, ohne sich in ihrem Leben unmittelbar zu begegnen. Ihre Absicht wurde aus der Liebe zu ihren Kindern und mit Blick auf zukünftige Generationen bestimmt.“

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